Samstag, 25. Juli 2015

Farmer John: Das Gleichnis vom reichen Kornbauern neu erzählt

Ich will Euch eine Geschichte erzählen.
Die Geschichte vom Bauern Johann
Oder wie man ihn in Afrika nannte:
dem Farmer John.

Und die Geschichte von ihm, die geht so:

Farmer John war ein Großgrundbesitzer.
Das heißt: Ihm gehörte viel Land, sehr viel Land,
sehr viel mehr als er von seiner Farm aus überblicken konnte.

Auf der einen Hälfte züchtete er Getreide.
Auf der anderen Hälfte baute er Bananen an.
Oder besser gesagt: Er ließ anbauen
von den Nachkommen jener,
denen früher einmal das Land gehört hatte.

Denn die hatten keine andere Wahl.
Die hatten nur Hunger
und Farmer John das Geld.

Darum mussten sie für ihn arbeiten,
ob sie wollten oder nicht,
für einen kleinen Lohn,
der gerade so zum Leben reicht.

Doch Farmer John kümmerte das wenig.

Er sprach:   

     Ein jeder sehe, wo er bleibt.
     Was kümmert mich des andren Leid!

     Für mich zählt einzig der Gewinn,
     und was nicht zählt, macht keinen Sinn.

     Drum nehm ich, was ich kriegen kann,
     und fang bei meinen Bauern an.

     Den Urlaub hab ich abgeschafft.
     Wer faul ist, kommt in Einzelhaft.

     Und auch der Sonntag ist tabu,
     die Nacht muss reichen für die Ruh.
     
     So fließt viel Geld in meine Hand
     und ich kauf neues Ackerland.   

Gesagt – getan!
Farmer John knechtete seine Bauern nach Strich und Faden.
Und sobald er wieder genug Geld beisammen hatte,
kaufte er neues Land dazu, um noch mehr Getreide
und noch mehr Bananen anzubauen.

Doch mit dem Landkauf allein war es nicht getan.
Die Früchte mussten ja auch irgendwo gelagert
und dann auch vertrieben werden.

Farmer John sprach:
                           
     Das Land ist groß, das Lager klein.
     Da passt die Ernte nicht mehr rein.

     Ne Riesenscheune muss jetzt her
     und Straßen für den Lastverkehr.

     Und auch ein Lager für Bananen,
     um dann so richtig abzusahnen.

Und so baute Farmer John eine Scheune,
eine Autobahn mit Zubringer
und dazu noch eine gewaltige Lagerhalle.
Oder besser gesagt: Er ließ sie bauen
von seinen Arbeitern – in Rekordzeit,
in einer einzigen Woche
den Sonntag wie immer mitgerechnet.

Farmer John war stolz auf sich.

Er sprach:   

     Schaut her, was ich aus mir gemacht.
     Ich hab´s zum reichsten Mann gebracht!

     Jetzt rollt der Rubel – welch ein Segen!
     und ich kann mich zur Ruhe legen.

Und so streckte Farmer John alle Viere von sich 
und schlief mit einem zufriedenen Lächeln ein.

Und da geschah es: 
Während er so zufrieden schlief,
hörte er im Traum eine Stimme;
eine Stimme, die seinen Namen rief.

Und Farmer John wusste sofort: das war Gott.
Der Höchste selbst hatte es sich nicht nehmen lassen,
ihm einen nächtlichen Besuch abzustatten.

Und da ließ es sich natürlich auch Farmer John nicht nehmen, 
Gott im Traum all jene Dinge zu zeigen,
die ihm so sehr am Herzen lagen:
seine Riesen-Bananplantagen,
seine meilenweiten Kornfelder,
seine Prunkvilla aus weißem Marmor,
seine Riesenscheune und die gewaltige Lagerhalle
nebst Autobahn mit Zubringer.

Doch zu seiner Überraschung zeigte Gott wenig Begeisterung.
Ganz im Gegenteil!

Gott sprach:   

     Ich seh, Du hast an viel gedacht
     und es zum reichsten Mann gebracht.
     
     Die schönste Farm im Land ist Dein.
     Die Scheune könnt nicht größer sein.
                        
     Doch all die Menschen, die Dir anvertraut,
     was hast Du denn für die gebaut?

     Wo ist die Schule für die Kinder?
     Ein Krankenhaus fehlt mir nicht minder.

     Und wo die Kirche für den Gottesdienst?
     – Wie? … den Sonntag abgeschafft?
     Ja, ich glaub, Du spinnst!

     Denk doch mal nach, Du dummer Mann,
     was fängst Du mit dem Reichtum an?

     wenn Deine Zeit gekommen ist
     und Du zuletzt gestorben bist?

     Kein Mensch wird Dich auf Erd vermissen.
     Was Du erreicht, will niemand wissen.

     Denn eins ist wahr, ganz sicherlich,
     am Besten lebt sich´s ohne Dich.

     Und zwar auf Erden wie im Himmel.
     Umsonst Dein Himmelstorgebimmel.

     Für Dich ist auch bei mir nichts frei.
     Mit Dir? auf ewig? – Welch Quälerei!

     Drum, lieber Johnny, schlaf gut aus,
     und geh dann auf die Felder raus.

     Schau Deinen Bauern ins Gesicht.
     Und wehe Dir, Du spürst sie nicht!

     Die Liebe, die ich dir geschenkt,
     an der das ganze Leben hängt.

     Ich hoff´ für Dich, Du findest sie,
     ansonsten sehen wir uns nie.

(D. Rafflewski)

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