Dienstag, 6. Februar 2024

Stur wie Sturgis: Ein gelungener Abschluss


Die Kirche war proppenvoll, die Vorfreude greifbar. Ein letztes Mal kontrollierten die Techniker Sebastian Schick (Licht) und Dirk Kollmar (Ton) die Anschlüsse. Alles sollte perfekt sein. Im Gemeindehaus wurden derweil die Waisenkinder eingekleidet, während die Bettler in schweren Mänteln noch einmal ihren Auftritt besprachen und die quirlige Schar der kleinen Teufelchen in nervöser Erwartung des großen Auftritts einmal mehr über Tische und Stühle ging. Kurz vor dem Einzug in die Kirche ergriff Teamerin Jumana das Wort, bestieg einen Stuhl und hielt eine flammende Motivationsrede – wie ein Fußballtrainer vor Anpfiff des WM-Finales. Dann ging´s unter dem Applaus der Besucher in der Kirche auf die Startpositionen. 


„Stur wie Sturgis“ hieß das Stück, mit dem nach 20 Jahren die Ära der Heddesheimer Weihnachtsmusicals enden sollte. Geschrieben hatten es Jessica Lindenberger (Musik), Henning Scharf (Musik) und Dierk Rafflewski (Text) auf Grundlage einer „wahren Geschichte“, die sich um die Entstehung des Adventsklassikers „Macht hoch die Tür“ dreht. Im Mittelpunkt stand der von Viertklässlerin Katharina mit beeindruckender Spielfreude gemimte reiche Fischhändler Volker Sturgis, der den erbärmlichen Anblick der Waisenkinder nicht mehr ertragen konnte, die regelmäßig dem Fluss entlang vom Waisenhaus über sein Grundstück zur benachbarten Kirche zogen. Mit einer hohen Mauer (historisch war´s ein Zaun) verbaute er ihnen den Weg und setzte sich zynisch über alle Bürgerproteste hinweg („Ihr seid das Volk. Aber ich bin Volker!“). Erst als Waisenkinder und Bürger der Stadt am 4. Advent 1623 zusammen mit Pfarrer Georg Weissel vor das Anwesen zogen und in den von Weissel frisch geschriebenen Choral „Macht hoch die Tür, die Tor macht weit“ einstimmten, geschah das Wunder: Sturgis öffnete Herz und Grundstück – und im Musical sogar die Türen seiner Villa zur großen Weihnachtsparty mit Stockfisch, Pizza und Rap-Musik.


Was bei den beiden Aufführungen am 23. und 24. Dezember besonders beeindruckte war die hohe Präsenz der Kinder und Jugendlichen – zumal das rund 60 Minuten lange Stück allen Darstellern viel abverlangte: Neben den anspruchsvollen Texten und Liedern mussten die Bewegungsabläufe sitzen, Sprech-Reihenfolgen und Positionen eingehalten werden und – ganz wichtig: auch wenn´s nichts zu sprechen oder zu singen gab, musste die Konzentration
hochgehalten werden. Ein richtiger Schauspieler spielt ja nicht nur, wenn er etwas zu sagen hat, sondern solange er auf der Bühne zu sehen ist. Und da sind einige der Kinder geradezu über sich hinausgewachsen. Nicht nur das Mimenspiel der Teufelchen war ein Genuss, wenn sie den empörten Städtern das Vögelchen zeigten oder Schweibenwischer machten. Viele Kinder sind mir ihren Rollen geradezu verschmolzen.


Und damit der Schauwerte noch nicht genug. Das Musical war überaus reich an Effekten. Besonders eindrucksvoll war der Fall des großen schwarzen Vorhangs, hinter dem die hoch aufragende „Villa Sturgis“, das kleine Fachwerk-Waisenhaus und die große Stadtsilhouette von Königsberg (gemalt nach historischen Vorlagen) mit „Wow!“-Effekt zum Vorschein kamen. Darüber hinaus sorgten gut getimte Licht- und Raucheffekte für eine geradezu diabolische Atmosphäre bei den Auftritten von Sturgis und seiner Teufelbande. Sogar an eine Innenbeleuchtung der „Villa Sturgis“ hatte Techniktüftler Sebastian gedacht. Weitere Höhepunkte waren der Mauerbau mit unzähligen Kartons quer durch den Altarraum – und natürlich deren donnernder Einriss, nachdem die Waisenkinder im Chor mit der Gemeinde die harte Schale von Sturgis im Finale geknackt hatten.


Lange dauerte am Ende der Applaus, den Kinder und Team sichtlich genossen, bevor mit dem Klassiker „Ruft es laut vom Kirchenturm“ noch eine allerletzte Zugabe folgte.

Schade, dass das alles jetzt vorbei ist! Aber auch wunderbar, wie super zum Abschluss alles geklappt hat – inklusive Technik – und wie groß die Begeisterung war. Denn dass trotz grassierender Grippewelle alle 64 Beteiligten auf, vor und hinter der Bühne im Einsatz waren, lag bestimmt nicht daran, dass alle gesund waren, sondern daran, dass niemand krank sein wollte.


Wer das Musical verpasst hat oder noch einmal in Erinnerung rufen will, findet auf dem Youtube-Kanal unserer Kirchengemeinde (unten weiter unten im KiKiBlog) zwei Clips. Und wer mal einen Blick hinter die Kulissen werfen will, sollte in der kommenden Adventszeit unbedingt einen Blick ins Fernsehprogramm werfen. Ein Filmteam vom Evangelischen Rundfunktdienst Baden hat die Generalprobe und erste Aufführung begleitet und einige Interviews mit Team und Kindern geführt. In der Vorweihnachtszeit soll der Sendebeitrag über privater TV-Anbieter ausgestrahlt werden und in der ERB-Mediathek abrufbar sein. Wir sind gespannt!

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