Sonntag, 1. Januar 2012

Die vierte Glocke


Herbst 2010: Nach Jahren der Vorbereitung, unzähligen Sitzungen und verschiedene Spendenaktionen hat die evangelische Kirche nicht nur einen neuen hölzernen Glockenstuhl, sondern Dank der neuen Taufglocke zum ersten Mal in ihrer Geschichte ein komplettes Geläut. Grund genug, den gegangenen Weg in sechs Stationen noch einmal Revue passieren zu lassen.

Entwurf "Pfarrer"
1. Es ächzt und stöhnt im Glockenstuhl
Bereits vor über 10 Jahren wurde die Sanierung des Glockenstuhls angemahnt, musste aufgrund der hohen Kosten aber immer wieder aufgeschoben werden. Die erste größere Spendenaktion verbunden mit Verkaufsaktionen (Verkauf von „Glockenstühlchen“ und Tonglocken) wurde im Zusammenhang der Gemeindetage 2006 durchgeführt. Daran anschließend konnte als ein wichtiger vorbereitender Schritt 2007 eine Schwinguntersuchung am Glockenturm durchgeführt werden. Doch erst die Kirchgeldaktion 2009, die rund 10000 Euro an Spenden einbrachte, machte es möglich, das Gesamtprojekt in Angriff zu nehmen. Dieses sah vor, den stählernen Glockenstuhl durch einen hölzernen zu ersetzen, die Schwingrichtung zu ändern und die Glocken auf drei Etagen zu verteilen (also eine zusätzliche Ebene einzuziehen).

Entwurf "Engel"
2. Die vierte Glocke – jetzt oder nie!
Schon immer war das Geläut der evangelischen Kirche auf vier Glocken ausgelegt. Bereits Pfarrer Dr. Konrad Fischer hatte darum in seiner Amtszeit für eine vierte Glocke geworben. Auch Glockensachverständige befürworteten den Einbau einer vierten Glocke, wofür die Glockenstuhlsanierung mit dem kompletten Austausch des Gestühls eine einmalige Gelegenheit bot. Für eine spätere Nachrüstung hätte der Glockenstuhl erneut ausgebaut werden müssen.
Doch so einmalig der Zeitpunkt schien, die finanzielle Situation unserer Kirchengemeinde wurde dadurch nicht besser. Und angesichts eines maroden Foliendaches im Kindergarten Werderstraße, für dessen Sanierung ebenfalls die notwendigen Mittel fehlten, stand für den Kirchengemeinderat schnell fest, dass der Guss einer neuen Glocke nicht in Frage kam – zumal sich auch Gemeindeversammlung und Kirchbauverein dagegen ausgesprochen hatten.

Entwurf "Kind"
3. Geht nicht, gibt´s nicht!
Es war der Rotary-Club Schriesheim-Lobdengau, der die Herzen aller Glockenfreunde höher schlagen ließ. Die 2009 in Aussicht gestellte Anschubfinanzierung von 6000 Euro konnte an der Entscheidung des Kirchengemeinderates zwar nichts ändern – eine finanzielle Beteiligung der Kirchengemeinde blieb ausgeschlossen – doch nährte sie die Hoffnung, den fehlenden Betrag von über 10000 Euro in einer privat initiierten Aktion über Sponsoren auftreiben zu können. Und das ist tatsächlich gelungen – in Rekordzeit! Keine zwei Monate benötigten die Glockenfreunde, allen voran Claus Herzog und Eckhard Geisinger, um die Finanzierung der Glocke inklusive aller Zusatzkosten sicher zu stellen. Eine Sposorentafel, die demnächst im Eingangsbereich der Kirche ihren Platz finden wird, nennt Namen von Sponsoren und dankt allen Spendern, die sich bei der Aktion beteiligt haben.

4. Kinder gestalten die Glocke
Da es im Geläut der evangelischen Kirche bislang keine „Taufglocke“ gab, war die Bestimmung für die vierte Glocke schnell gefunden. Etwas länger dauerte die Diskussion um die Gestaltung der Glockenzier: was soll drauf? Und wer soll die Vorlage liefern? – Nach Beratungen in Bauausschuss, Liturgieausschuss und Kirchengemeinderat wurde schließlich die Idee von Architekt Martin Hauss aufgegriffen, die Zier jenen zu überlassen, die mit ihrem Alter den Täuflingen üblicherweise am nächsten stehen: nämlich den Kindergartenkinder.

Und von dieser Idee war nicht nur Frau Krieg, die Leiterin unserer Kindergartenarbeit, begeistert. Auch die Schulanfänger, die sich für das Projekt „Glockenzier“ am frühen Montag, den 19. April 2010, im Werdersaal versammelt hatten, waren mit großer Freude dabei. Nach einer kurzen inhaltlichen Einführung zum Thema Taufe durch Pfarrer Rafflewski wurde eifrig losgemalt: Blumen, Bäume, Kirchen, fröhliche Menschen, Sonne, Engel und Fische gehörten zu den beliebtesten Motiven. Selbst der Pfarrer fand seine Verewigung, ebenso wie die Arche Noah mit Löwe und Giraffe in friedlicher Eintracht.

Den letzten Arbeitsschritt erledigten die Erzieherinnen: In mühsamer Schnippelarbeit galt es, die knapp 50 Bilder, die für die Glockenzier ausgewählt wurden, auf Wachs zu übertragen. Hier war vor allem „Liebe zum Detail“ gefragt. 
Die Fotos (von H. Krieg) auf der linken Seite zeigen Ausschnitte von den fertigen "Wachsbildern", die von Frau Krieg an einem der folgenden Tagen zur Übertragung auf die Glocke nach Karlsruhe gefahren wurden. 

5. Gedämpfte Freude
Am Freitag, den 18. Juni 2010, war es so weit: Pünktlich zur Todesstunde Jesu fand bei der Firma Bachert in Karlsruhe der Glockenguss statt. Mit einer knapp 30-köpfigen Delegation war unsere Kirchengemeinde bei dem archaischen Ereignis vertreten. Beeindruckend so ein Glockenguss!
In einem Familiengottesdienst mit Tauferinnerung sollte die neue Glocke zwei Wochen später, am 4. Juli, der Gemeinde vorgestellt und am 25. Juli 2010 feierlich in Betrieb genommen werden.
Doch leider sollte es anders kommen: Weil der Ton der neuen Glocke nicht „sauber“ war, wurde sie erst gar nicht zur Glockenprüfung zugelassen. Sie musste zurück in den Schmelzofen wandern. Alle bisherigen Planungen waren damit über den Haufen geworfen. Und besonders die in diesem Sommer häufig anzutreffenden Brautpaare waren von dem Schweigen im Kirchturm wenig begeistert.

6. Vorstellung und Einweihung
Als neuer Gusstermin wurde schließlich Mittwoch, der 22 September 2010, festgesetzt. Und diesmal sollte alles passen: An Erntedank konnte die Taufglocke in einem fröhlich-bunten Familiengottesdienst von den kleinen Künstlern höchstpersönlich der staunenden Gemeinde präsentiert werden. Wunderschön war sie geworden! Eigentlich zu schön, um sie in den Turm zu hängen. Doch um sie ihrer Bestimmung zuzuführen, blieb leider keine andere Wahl.
Nach der Aufhängung im neuen hölzernen Glockenstuhl übernahm Dekan Rainer Heimburger am Sonntag, den 24. Oktober 2010, im Rahmen eines Festgottesdienstes die feierliche Einweihung. Zum ersten Mal in der Geschichte der evangelischen Kirche Heddesheim erklang ein vierstimmiges Geläut über den Dächern von Heddesheim, das die Gemeinde in der Kirche mit einem lauten Loblied beantwortete. Im Mittelpunkt der Festpredigt standen die Worte der Glockeninschrift aus dem Galaterbrief, Kapitel 3, Vers 26: Ihr seid alle durch den Glauben Gottes Kinder in Christus Jesus.





Beim anschließenden Empfang dankte zunächst Pfarrer Anzinger allen, die zum Gelingen des Projektes beigetragen hatten. Danach würdigten Bürgermeister Michael Kessler, der Vorsitzende des katholischen Pfarrgemeinderates, Petrus van Nunen, sowie Rektorin Gertrud Junghans die Glockeneinweihung als ein besonderes Ereignis für Heddesheim und die Taufglocke als ein besonders schön gestaltetes Symbol christlicher Einheit und christlichen Glaubens.  (D.R.)






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