Herbst 2010: Nach Jahren der Vorbereitung, unzähligen
Sitzungen und verschiedene Spendenaktionen hat die evangelische Kirche nicht
nur einen neuen hölzernen Glockenstuhl, sondern Dank der neuen Taufglocke zum
ersten Mal in ihrer Geschichte ein komplettes Geläut. Grund genug, den
gegangenen Weg in sechs Stationen noch einmal Revue passieren zu lassen.
Bereits
vor über 10 Jahren wurde die Sanierung des Glockenstuhls angemahnt, musste
aufgrund der hohen Kosten aber immer wieder aufgeschoben werden. Die erste
größere Spendenaktion verbunden mit Verkaufsaktionen (Verkauf von „Glockenstühlchen“
und Tonglocken) wurde im Zusammenhang der Gemeindetage 2006 durchgeführt. Daran
anschließend konnte als ein wichtiger vorbereitender Schritt 2007 eine
Schwinguntersuchung am Glockenturm durchgeführt werden. Doch erst die
Kirchgeldaktion 2009, die rund 10000 Euro an Spenden einbrachte, machte es
möglich, das Gesamtprojekt in Angriff zu nehmen. Dieses sah vor, den stählernen
Glockenstuhl durch einen hölzernen zu ersetzen, die Schwingrichtung zu ändern
und die Glocken auf drei Etagen zu verteilen (also eine zusätzliche Ebene
einzuziehen).
Schon
immer war das Geläut der evangelischen Kirche auf vier Glocken ausgelegt.
Bereits Pfarrer Dr. Konrad Fischer hatte darum in seiner Amtszeit für eine
vierte Glocke geworben. Auch Glockensachverständige befürworteten den Einbau
einer vierten Glocke, wofür die Glockenstuhlsanierung mit dem kompletten Austausch
des Gestühls eine einmalige Gelegenheit bot. Für eine spätere Nachrüstung hätte
der Glockenstuhl erneut ausgebaut werden müssen.
Doch
so einmalig der Zeitpunkt schien, die finanzielle Situation unserer Kirchengemeinde
wurde dadurch nicht besser. Und angesichts eines maroden Foliendaches im
Kindergarten Werderstraße, für dessen Sanierung ebenfalls die notwendigen Mittel
fehlten, stand für den Kirchengemeinderat schnell fest, dass der Guss einer
neuen Glocke nicht in Frage kam – zumal sich auch Gemeindeversammlung und
Kirchbauverein dagegen ausgesprochen hatten.
Es
war der Rotary-Club Schriesheim-Lobdengau, der die Herzen aller Glockenfreunde
höher schlagen ließ. Die 2009 in Aussicht gestellte Anschubfinanzierung von
6000 Euro konnte an der Entscheidung des Kirchengemeinderates zwar nichts ändern
– eine finanzielle Beteiligung der Kirchengemeinde blieb ausgeschlossen – doch
nährte sie die Hoffnung, den fehlenden Betrag von über 10000 Euro in einer
privat initiierten Aktion über Sponsoren auftreiben zu können. Und das ist
tatsächlich gelungen – in Rekordzeit! Keine zwei Monate benötigten die
Glockenfreunde, allen voran Claus Herzog und Eckhard Geisinger, um die
Finanzierung der Glocke inklusive aller Zusatzkosten sicher zu stellen. Eine Sposorentafel,
die demnächst im Eingangsbereich der Kirche ihren Platz finden wird, nennt
Namen von Sponsoren und dankt allen Spendern, die sich bei der Aktion beteiligt
haben.
4. Kinder gestalten die Glocke
Da
es im Geläut der evangelischen Kirche bislang keine „Taufglocke“ gab, war die
Bestimmung für die vierte Glocke schnell gefunden. Etwas länger dauerte die Diskussion
um die Gestaltung der Glockenzier: was soll drauf? Und wer soll die Vorlage
liefern? – Nach Beratungen in Bauausschuss, Liturgieausschuss und Kirchengemeinderat
wurde schließlich die Idee von Architekt Martin Hauss aufgegriffen, die Zier
jenen zu überlassen, die mit ihrem Alter den Täuflingen üblicherweise am nächsten
stehen: nämlich den Kindergartenkinder.
Und
von dieser Idee war nicht nur Frau Krieg, die Leiterin unserer
Kindergartenarbeit, begeistert. Auch die Schulanfänger, die sich für das
Projekt „Glockenzier“ am frühen Montag, den 19. April 2010, im Werdersaal
versammelt hatten, waren mit großer Freude dabei. Nach einer kurzen
inhaltlichen Einführung zum Thema Taufe durch Pfarrer Rafflewski wurde eifrig
losgemalt: Blumen, Bäume, Kirchen, fröhliche Menschen, Sonne, Engel und Fische
gehörten zu den beliebtesten Motiven. Selbst der Pfarrer fand seine Verewigung,
ebenso wie die Arche Noah mit Löwe und Giraffe in friedlicher Eintracht.
Den
letzten Arbeitsschritt erledigten die Erzieherinnen: In mühsamer Schnippelarbeit
galt es, die knapp 50 Bilder, die für die Glockenzier ausgewählt wurden, auf
Wachs zu übertragen. Hier war vor allem „Liebe zum Detail“ gefragt.
Die Fotos (von H. Krieg) auf der linken Seite zeigen Ausschnitte von den fertigen "Wachsbildern", die von Frau Krieg an einem der folgenden Tagen zur Übertragung auf die Glocke nach Karlsruhe gefahren wurden.
5. Gedämpfte Freude
Am
Freitag, den 18. Juni 2010, war es so weit: Pünktlich zur Todesstunde Jesu fand
bei der Firma Bachert in Karlsruhe der Glockenguss statt. Mit einer knapp
30-köpfigen Delegation war unsere Kirchengemeinde bei dem archaischen Ereignis
vertreten. Beeindruckend so ein Glockenguss!
In
einem Familiengottesdienst mit Tauferinnerung sollte die neue Glocke zwei Wochen
später, am 4. Juli, der Gemeinde vorgestellt und am 25. Juli 2010 feierlich in
Betrieb genommen werden.
Doch
leider sollte es anders kommen: Weil der Ton der neuen Glocke nicht „sauber“
war, wurde sie erst gar nicht zur Glockenprüfung zugelassen. Sie musste zurück
in den Schmelzofen wandern. Alle bisherigen Planungen waren damit über den
Haufen geworfen. Und besonders die in diesem Sommer häufig anzutreffenden
Brautpaare waren von dem Schweigen im Kirchturm wenig begeistert.
6. Vorstellung und Einweihung
Als
neuer Gusstermin wurde schließlich Mittwoch, der 22 September 2010, festgesetzt.
Und diesmal sollte alles passen: An Erntedank konnte die Taufglocke in einem
fröhlich-bunten Familiengottesdienst von den kleinen Künstlern höchstpersönlich
der staunenden Gemeinde präsentiert werden. Wunderschön war sie geworden! Eigentlich
zu schön, um sie in den Turm zu hängen. Doch um sie ihrer Bestimmung zuzuführen,
blieb leider keine andere Wahl.
Nach
der Aufhängung im neuen hölzernen Glockenstuhl übernahm Dekan Rainer Heimburger
am Sonntag, den 24. Oktober 2010, im Rahmen eines Festgottesdienstes die
feierliche Einweihung. Zum ersten Mal in der Geschichte der evangelischen
Kirche Heddesheim erklang ein vierstimmiges Geläut über den Dächern von Heddesheim,
das die Gemeinde in der Kirche mit einem lauten Loblied beantwortete. Im
Mittelpunkt der Festpredigt standen die Worte der Glockeninschrift aus dem Galaterbrief,
Kapitel 3, Vers 26: Ihr seid alle durch
den Glauben Gottes Kinder in Christus Jesus.
Beim
anschließenden Empfang dankte zunächst Pfarrer Anzinger allen, die zum Gelingen
des Projektes beigetragen hatten. Danach würdigten Bürgermeister Michael
Kessler, der Vorsitzende des katholischen Pfarrgemeinderates, Petrus van Nunen,
sowie Rektorin Gertrud Junghans die Glockeneinweihung als ein besonderes Ereignis
für Heddesheim und die Taufglocke als ein besonders schön gestaltetes Symbol
christlicher Einheit und christlichen Glaubens. (D.R.)
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